Freitag, 7. November 2014

Von multiplen Persönlichkeiten & Norm-Kindern


Ich bin Tine, Mama von "meinem Großen". 
Ich bin Tine, Mama von "meinem Kleinen". 
Und allem Anschein nach handelt es sich hierbei um zwei völlig unterschiedliche Frauen...

Die Mama von dem Großen wird gemieden, nicht eingeladen, ignoriert, beobachtet, bewertet - sie ist arrogant, hält sich für was besseres, meidet den Kontakt zu anderen Eltern, nimmt nicht teil am morgendlichen Geschwätz, vor der Schule. Trifft sie vor der Schule Lehrer, sehen diese beim Vorbeigehen gerade etwas ganz spannendes auf der anderen Straßenseite, auf dem Bürgersteig und sind sooo angeregt im Gespräch, dass sie diese Mama einfach nicht sehen - ein Gruß bleibt regelmäßig unerwidert.

Finden größere Veranstaltungen in der Schule statt, sitzt sie zusammen mit ihrem Mann allein in einer Ecke. 

Sie wird auch nicht eingeladen, aus Kindergarten & Schule haben sich keine Bekanntschaften oder Freundschaften entwickelt. Sie fühlt sich alleine und zweifelt an ihrer Persönlichkeit oder dem, wie sie wahrgenommen wird. Sucht die Ursache hierfür in sich selbst.


Die Mama von dem Kleinen ist mittendrin. Unterhält sich jeden Morgen im Kindergarten mit anderen Eltern - sie ist nett, freundlich, hilfsbereit, mitfühlend. Sie ist ein Teil der Kindergartengemeinschaft. Auch die Betreuer grüßen sie freundlich, es gibt nette kleine Gespräche.

Finden größere Veranstaltungen statt, sitzt sie im ersten Moment zusammen mit ihrem Mann alleine in einer Ecke. Kurz darauf ist die Ecke ein belebter Platz mit vielen netten Gesprächen und sie ist mittendrin. 

Diese Mama wird auch eingeladen. Trifft sich zum Frühstück, Kinobesuchen, Treffs am Nachmittag mit den Kindern, Abendessen....

Scheinbar eine nette Person, mit der man gerne Zeit verbringt. 


Was passiert da? Zufall? Glück & Pech?
Wo liegt der Unterschied zwischen diesen beiden Mamas?


Ich muß sagen, ich kenne die Antwort nicht. Ich kann nur vermuten:
Ein Unterchied dieser beiden Mamas liegt in ihren beiden Kindern. 

Der Große fällt aus der "Norm", der Kleine nicht. Und meine Mitmenschen spiegeln das Verhalten der Kinder auf mich, auf meinen Erziehungsstil, meinen Charakter.

Mein Großer hat von allem zuviel: zu viel Sensibilität, zu viel Aktivität, zu viel Intelligenz, zu viel Wahrnehmungen (zu wenig verläßlich funktionierende Filter), zu viel Reizinput, zu viel Drang die Welt zu verstehen, zu viel Bedürfnis nach Kontinuität, Verlässichkeit, Zuneigung, zu viel Phantasie, zu großes Mitteilungsbedürfnis.

Andere würden sagen, er hat von allem zu wenig: zu wenig Anstand, zu wenig Gehorsam, zu wenig Obrigkeithörigkeit, zu wenig Respekt, zu wenig Erziehung, zu wenig Empathie, zu wenig Anpassungsfähigkeit.

Es bewegt sich abseits der Norm. Dem Durchschnitt. Was ist die Norm? Gibt es das DinN-Kind? Ist nicht jedes Kind individuell?
Gilt es nicht, jedes Kind dort abzuholen, wo es sich befindet?

Ich wünsche mir Respekt. Und Geduld. Und Verständnis. 
Eigenschaften, die man meinem Kleinen auch entgegenbringt. Ebenfalls ein Kind von mir uns meinem Mann. Unser Große hat dasselbe verdient. Aber das ist eine andere Geschichte....

Nachdenkliche Grüße
Tine








3 Kommentare:

  1. Liebe Tine,
    danke für Deine so ehrlichen Worte ! In vielen Deiner Worte finde ich mich wieder ! Bei uns war/ist es umgekehrt, beim Großen war es recht problemlos, nur der kleine entspricht/entsprach "nicht der Norm" ! Der Norm der Gesellschaft, der Lehrer, der Mitschüler und vor allem der anderen Eltern ! Es tat oft weh, ich war verletzt, hab bei mir "Fehler" gesucht, bei meinem Kind.....hab gekämpft, jahrelang, gegen Grundschulen/Behörden/Lehrer, hab mit Eltern gesprochen......Aber weißt Du was, ich liebe dieses Kind (beide Kinder!), mit all seiner Sensibilität, seiner absoluten Ehrlichkeit und Sinn für Gerechtigkeit, seinem laut sein....Heute ist er älter, etwas ruhiger geworden.....Und ich frage mich heute immer noch oft "warum Menschen in Normen denken", vor allem Eltern ?! Ich war oft erschüttert, wie antrainiert kleiner Kinder schon waren, dass es selbst schon in dem Alter Gehässigkeiten/Intrigen.. gab, da haben Eltern ganze Arbeit geleistet !:-( Vielleicht ist der Kommentar jetzt hier zu ehrlich geschrieben, aber Dein Post berührt mich einfach sehr, weil es auch ein Teil meiner Geschichte/Familie ist ! Alles Liebe für Dich/Euch ! Ja, Respekt, Verständnis, Geduld, das findest Du heute in unserer Gesellschaft leider nur noch selten ! Schade, zeigen doch gerade diese Kinder uns den Weg, würden wir nur ALLE hinsehen ! Liebe Grüße, Birgit

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    1. bin gerade noch sprachlos mit Tränen in den Augen....
      Danke! :-)

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  2. Hallo Tine,
    da kann ich mich Birgit nur anschließen, alles was nicht "Norm" ist da tun wir uns schwer damit. Beim Einen mehr beim Anderen weniger. Unser Sohn war immer ein ganz ruhiger, das war lt. Lehrerin auch nicht die Norm und da sollte mann mal zu einem Therapeuten gehen. Aber die Erzieherin vom Kindi lachte nur und meinte, es ist ein ruhiges Kind und das wird auch durch Sitzungen nicht anders werden. Er wird nie im Vordergrund stehen wollen, weil er das nicht ist. Und so ist es. Er ist ein Super Schüler, hat viele Freunde, ist kein Aussenseiter, aber ein ruhiger, junger Mann - im Gegensatz zur Schwester. Und andere Lehrer sind damit super klar gekommen.
    Ich wünsch' Dir alles Liebe
    Manu

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